SCHICKSALE

Warum sich Menschen manchmal zum vorzeitigen Sterben entschliessen (müssen):

Ein 92-Jähriger kann nach einem Hirnschlag, erlitten vor wenigen Jahren, nicht mehr gut gehen. Auch Seh- und Hörvermögen lassen nach. Er kann sein Zimmer im Altersheim deshalb kaum mehr verlassen. Auch lesen oder fernsehen gehen nicht mehr richtig. Diese Situation ist für den einst rege am gesellschaftlichen Leben Beteiligten nicht mehr würdig. Er äussert den Wunsch, sterben zu können. Sein Zimmer liegt im 7. Stock. Er würde sich hinunterstürzen, mag das aber den anderen nicht zumuten. Da er keine eigentliche Erkrankung hat, ist es nicht einfach, das Sterbemedikament zu erhalten. Er muss erst seinen Hausarzt überzeugen. Dieser könnte Probleme mit Standesorganisation oder Kantonsarzt erhalten.

Eine 75-Jährige erhält die offizielle Diagnose: langsamer geistiger Zerfall. Die Gegenmittel wirken vorerst. Niemand kann ihr sagen, wie lange sie noch wie zu leben hat. Niemand kann ihr sagen, wann sie die Urteilsfähigkeit verliert. Die Ungewissheit ist unaushaltbar. Sie will nicht umnachtet sterben. Da die Symptome noch nicht ausgeprägt sind, muss sie seinen Arzt in längeren Gesprächen überzeugen, ihr ein Sterbemedikament zu verschreiben.

Eine 92-Jährige leidet an fortgeschrittener Osteoporose. Ihr Dasein besteht aus Schmerz und Leiden. Sie entscheidet sich für den Altersfreitod, da sie unter Umständen noch lange leiden müsste. Sie ist verwitwet und kinderlos. Dank der unheilbaren Krankheit Osteoporose bekommt sie das Rezept fürs Sterbemittel und lässt sich von einem ausgebildeten Sterbebegleiter von EXIT beim selbstbestimmten Sterben beistehen.

Ein 86-Jähriger mag nicht mehr. Seit dem Tod seiner älteren Frau vor 5 Jahren geht es nur noch abwärts. Er hatte sich immer auf sie verlassen und hat heute keine Freunde mehr und auch kein Hobby, dem er körperlich noch nachgehen könnte. Selbst sein geliebtes Zugfahren ist beschwerlich geworden. Der Mahlzeitendienst rät ihm, sich für Altersheim anzumelden. Doch das will er nicht. Er hat sein Leben gelebt und erwartet nichts mehr. Er hätte gern ein Medikament, um selbstbestimmt sterben zu können – solange er das eben noch selber herbeiführen kann, bevor es vielleicht nach einem Sturz oder Hirnschlag unmöglich wird. Da er jedoch kein konkretes Leiden vorweisen kann, wird sich kaum ein Arzt finden, der ein Rezept ausstellen wird.

Ein 91-Jähriger lebte bis vor kurzem bei bester Gesundheit. Er wohnt seit über 50 Jahren im 5. Stock eines Altbaus ohne Lift. Doch fast von einem Tag auf den anderen sind seine Beine schwach geworden. Erst wird er langsam, dann auch unsicher, schliesslich geht er nur noch einmal in der Woche aus dem Haus. Er verliert rapide an Muskelmasse. Seine Beine werden ganz dünn, tragen ihn kaum mehr. Er hat Hilfe von der Spitex, doch seine Wohnsituation wird unmöglich. Er traut sich die anstehenden Umstellungen nicht mehr zu, hat im wahren Sinn keine Kraft dazu. Jetzt ist für ihn der Moment gekommen, sein erfülltes Leben noch im Guten zu beenden, bevor er in eine Phase käme, die ihn nur verbittern liesse. Da er aber «nur» an Altersdegeneration leidet und keine Krankheit hat, wird es für ihn unmöglich, an ein Sterbemedikament zu kommen unter heutiger Rechtslage. Ihm bleibt nur ein gewaltsamer Suizid, wenn er wirklich selbstbestimmt sterben möchte.

Kennen Sie andere Schicksale? In welchen Situationen würden Sie das selbstbestimmte Sterben erwägen? Schreiben Sie an info@altersfreitod.ch Ihre E-Mail wird mit grösster Diskretion beantwortet. Auszüge werden nur auf Ihren Wunsch und absolut anonym an dieser Stelle veröffentlicht.